Mittwoch, 5. Januar 2011

Interpretation eines Kapitels (S.164 - S.166)


Der Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink, erschienen im Jahr 1995 in Zürich, handelt von einem Mann, der seine Lebensgeschichte erzählt. Dieser hatte als Fünfzehnjähriger eine Beziehung mit einer älteren Frau, die eine Kriegsverbrecherin war, und deshalb angeklagt wird. Aber welche Auswirkungen hat die Beziehung auf Michaels Leben?

Der Roman beginnt damit, dass Michael erkrankt ist und dass eine ältere Frau ihm hilft. Bei dieser Frau bedankt er sich und wird von ihrem Anblick erregt, als sie sich umzieht, deshalb flüchtet er. Als er sich für dieses Verhalten entschuldigt, beschmutzt er sich mit Kohle und soll sich darauf waschen. Darauf folgt ihr erstes Mal. So verliebt er sich in sie. Er ging nun wieder in die Schule, aber schwänzt die letzten Stunden, um rechtzeitig bei Hanna zu sein. Als dies Hanna erfährt, schmeißt Hanna ihn raus und meint, dass er nur zu ihr kommen darf, wenn er seine Schulsachen erledigt habe. Darauf wird das Vorlesen ein Teil ihres Rituals. Als er sie an ihrem Arbeitsplatz besucht, wird Michael von Hanna ignoriert. Er gibt sich die Schuld für den am Abend folgenden Streit wie auch für den streit auf einer Fahrradtour. Im nächsten Schuljahr trifft er sie im Freibad, wird aber wieder von ihr ignoriert. Als er am nächsten Tag zu ihr will, ist sie nicht mehr da.
Nachdem Hanna weg ist, bringt Michael die Schule zu Ende und studiert Jura. Dort trifft er wieder auf Hanna in einer Gerichtsverhandlung wieder. Während dem Prozess bekommt er mit, dass Hanna bei der SS gearbeitet hat und dass sie für die Selektion verantwortlich war. Außerdem soll sie den in einer Kirche eingeschlossenen Frauen und Kindern nicht geholfen haben, als diese abbrannte. Er probiert immer zu verstehen, wieso Hanna so gehandelt hatte, aber es wurde ihm nie bewusst. Er besucht KZs ums sie zu verstehen, aber es half nichts. Nach ein paar Monaten zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
In der vorliegenden Textstelle heiratet er Gertrude, eine Referendarin, als sie ein Kind vom ihm erwartet. Diese und viele andere Beziehungen schlugen fehl, weil er sich einredet, dass diese Frauen sich wie Hanna anfühlen, schmecken und riechen müssen, damit die Beziehung klappt. Einigen erzählte er auch von der Beziehung mit Hanna, aber die Frauen wollten nichts darüber wissen. So gab er das erzahlen auch wieder auf.

Die Textstelle ist in zwei verschiedene Handlungsabschnitte geteilt. Die erste handelt von der Beziehung mit Gertrud und ihrer Tochter Julia (S.164 – S.165 Z.27). Der zweite Abschnitt handelt von seinen anderen Beziehungen und seinen Erzählungen (S.165 Z.28 – S.166 Z.19).

Die Textstelle ist zeitraffend erzählt, da die erzählte Zeit viel größer ist als die Erzählzeit. In diesem Fall beträgt die erzählte Zeit ungefähr fünf bis zehn Jahre, während dessen die Erzählzeit nur ein paar Minuten sind. Dies lässt darauf schließen, dass in dieser Zeit nichts Wichtiges und auch nicht viel passiert ist.

Der Erzähler ist ein personaler Ich-Erzähler in dieser Textstelle. Es befinden sich in dieser keine wörtlichen Reden, was darauf schließen lässt, dass der Autor in dieser Stelle nichts besonders ausführen oder betonen möchte.

Der Autor bringt in diese Stelle eine rhetorische Frage ein („Wer will … von den früheren Beziehungen das anderen hören, wenn er nicht deren Erfüllung ist?“ S.164 Z.9-11), mit dieser wird die Aussichtslosigkeit Michaels gezeigt. Außerdem hat er eine Antithese eingebracht („Ich habe nie aufhören können, das Zusammensein mit Gertrud mit dem Zusammensein mit Hanna zu vergleichen…“ S. 164 Z.18f.). Mit dem Parallelismus „wir studierten zusammen, bestanden zusammen das Examen und wurden zusammen Referendare“ auf der Seite 164 Zeilen fünf bis sieben möchte er zeigen, dass sie eigentlich für einander bestimmt waren. Außerdem hat er noch eine zweite rhetorische Frage eingebaut („Falle mir nicht auf, dass meine Mutter in meiner Geschichte kaum vorkam?“ S.166 Z.13-15) und es gibt auch eine Alliteration („meine Mutter“ S.166 Z.13), die aber nichts zur Sache tut. Die Textstelle ist in Hochdeutsch geschrieben und beinhaltet keine Fremdwörter.

Michael Berg ist ein Mann, der ein sehr spannendes Leben hatte. Er ist an Gelbsucht erkrankt, wieder gesund geworden, hatte eine sehr lebendige Beziehung mit einer einundzwanzig Jahre älteren Frau, hat geheiratet, hat ein Kind, hat sich geschieden und hatte noch viele andere gescheiterte Beziehungen. Michael ist ein sehr nachgiebiger Mensch und nimmt lieber die Schuld auf sich, als sie auf jemand anderen zu verweisen (S.47 Z.19 – S149 Z.19). Michael kommt außerdem nicht über die Beziehung hinweg und musste immer an sie denken („…in denen ich nur von ihr träumte, nur an sie dachte.“ S.83 Z.11f.), außerdem musste er sich einreden, dass jede Frau, mit der er eine Beziehung eingeht, sich ein bisschen wie Hanna anfühlt, riecht und schmeckt (S.165 Z.30f.).

Hanna Schmitz ist am Anfang des Buches eine schöne und verführerische Frau (S.15 Z.15-21), was sich aber im Verlauf des Buches ändert („Graue Haare, ein Gesicht mit tiefen senkrechten Furchen in der Stirn, in dem Backen, um den Mund und ein schwerer Leib.“ S.184 Z.11-13). Außerdem stört es sie, dass sie nicht lesen und schreiben kann und deshalb zwingt sie Michael in die Schule zu gehen und zu lernen (S.36 Z.26 – S.37 Z.11). Außerdem weist darauf hin, dass sie Analphabetin ist, dass sie sich lieber vorlesen lässt, als dass sie selber liest (S.43 Z.7-16), außerdem sieht man, dass sie ihren Willen durchsetzen kann („“ Zuerst musst du mir vorlesen““ S.43 Z.13). Es wird auch mit der Stelle auf dem Fahrradausflug auf ihr Analphabetismus hingewiesen (S.54 Z.12 (Ab „Ich hatte“) – S.56 Z.3). Hanna ist eine sehr ehrgeizige Frau, denn sie hat ohne fremde Hilfe lesen und schreiben im Gefängnis gelernt (S.177 Z.1-3).

Die Beziehung von Michael Berg und Hanna Schmitz hat einige Konsequenzen für das gesamte Leben Michaels. Kurze Zeit nach dem Verlassen von Hanna hat er nur von ihr geträumt und nur an sie gedacht (S.83 Z.11f.). Außerdem funktionieren seine anderen Beziehungen nur so lange, wie er sich einbildet, dass die anderen Frauen sich so anfühlen, so rieche und so schmecken wie Hanna (S165 Z.30f.).
Er hat auch viel Zeit verbraucht Hanna zu verstehen und wieso sie so gehandelt hat. Dies konnte er trotzdem nicht klären, obwohl er seinen Vater gefragt (Teil 2 Kapitel 12) und ein KZ besucht hat (Teil 2 Kapitel 15). Außerdem fühlt er sich schuldig Hanna verraten und verleugnet zu haben (S.72 – 74). Er fühlt sich auch schuldig, dass er in eine Kriegsverbrecherin verliebt war und sie gewählt hat. Er meint außerdem, dass er die Schuld an seine Tochter weitergegeben hat. Hätte er sich nicht immer an Hanna denken müssen, so hätte er sich nicht von Gertrud schneiden müssen und hätte Julias, seine Tochter, Leben nicht zerstört.

Die Konsequenzen für Michael sind recht groß, obwohl es nur eine Beziehung war. Er kann keine richtige Beziehung führen, weil er immer an Hanna denken muss. Er gibt sich die Schuld für alles, was Hanna falsch gemacht hat.
Alles in allem finde ich das Buch gut, obwohl es am Anfang mit dem Wechsel zwischen erinnerndem Ich und dem erlebendem Ich ein bisschen verwirrend, was sich aber geändert hat, wenn ich Teile noch mal gelesen habe. Viele andere Sachen haben sich auch erst im Verlauf des Buches gelöst, was eine Art Spannung erzeugt.
Das Buch spiegelt in übertriebener Weise ein „normales“ Menschenleben mit allen Höhen und Tiefen wieder und man merkt, dass nicht alles wie im Märchen mit einem Happyend ausgehen kann.

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