Sonntag, 9. Januar 2011

Interpretation eines Kapitels (S.164-166)

Der Roman "Der Vorleser" aus dem Jahre 1994 von Bernhard Schlink handelt von einer Liebesbeziehung zwischen Michael Berg und einer vergleichsweise älteren Frau namens Hanna Schmitz. Diese etwas "spezielle" Beziehung wirkt sich auf das gesamte spätere Leben Michaels aus.

Der Roman beginnt mit einem Rückblick auf den Teenager Michael Berg, als dieser an Gelbsucht erkrankt und eine Frau dadurch kennenlernt und der er nach seiner Heilung mit einem Besuch dankt. Während dieses Besuch wird Michael von der Frau sexuell angezogen, woraufhin er flüchtet. Um sich dafür zu entschuldigen kehrt er zurück und es kommt zum Liebesakt zwischen den beiden. Daraus entwickelt sich eine etwas "spezielle" Beziehung. So ging Michael zwar inzwischen wieder in die Schule, wenn er sie nicht schwänzt, um die Frau, die sich im Laufe des Buches als Hanna schmitz herausstellt, besucht. Hanna bekommt heraus, dass er die Schule sausen lässt für sie und fragt ihn immer, was sie denn gerade für Schullektüren haben. Daraufhin bittet sie ihn, ihr aus diesen Büchern vorzulesen. Daraus entsteht ein Ritual. Als er sie einmal an ihrem Arbeitsplatz besuchen will, ignoriert sie ihn, dafür gibt er sich selber die Schuld, wie auch bei der Fahrradtour, die sie gemeinsam unternehmen. Und als sie ihn im Freibad sieht, beachtet er sie nicht. Daraufhin verschwindet sie. So geht Michael seiner Schule nach, macht das Abitur und meldet sich zum Jurastudium an. Dochh als er im Rahmen seines Studiums an einem NS-Gerichtsprozess teilnimmt, trifft er dort Hanna wieder, die als NS-Wächterin angeklagt ist, weil ihr vorgeworfen wird, an diversen Selektionen teilgenommen hat und jüdische Frauen und Kinder in einem brennenden Kirchengebäude nicht geholfen hat, sie zu retten. Daraufhin versucht er, Hannas Taten zu begreifen und besucht KZs. Schließlich wird es ihm klar: sie ist Analphabetin. Also geht er zum Richter und will ihn darüber informieren, schafft es aber nicht. Die Folge daraus ist, dass Hanna zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wird.
Während eines Ausflugs auf eine Skihütte kann Michael seine Gefühlswelt nicht mehr kontrollieren und kommt ins Krankenhaus. Dort kümmert sich Getrud um ihn. Daraus entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden, sie heiraten und bekommen ein kind, Julia. Die Textstelle beschreibt diese Ehe, die spätere Scheidung, unter der besonders die zu der Zeit fünfjährige Julia zu kämpfen hat, sowie andere Liaisons Michaels nach seiner gescheiterten Ehe mit Getrud.

In dieser Textstelle steht die Beziehung zu Getrud eher am Rande, genauso werden die Liebschaften zu anderen Frauen nur am Rande erwähnt. Denn der größte Teil besteht aus dem Verhältnis zu seiner Tochter. Er beschreibt, wie sie gelitten hat, wie dieses Leiden ihn persönlich wehgetan hat. Doch auch über ihn findet man eine Menge heraus. Er scheint nach außen hin in normaler Bürger zu sein, der sein Leben lebt. Doch in ihm drin geht eine menge vor. So ist seine Gefühlswelt völlig aus dem Ruder gelaufen, er muss immer Getrud mit Hanna vergleichen und bekommt Hanna nicht aus seinem Kopf. Das drückt Bernhard Schlink mit einem Parallelismus aus ("Ich dachte es würde sich verlieren. Ich hoffte, es würde sich verlieren." S.165 Z.3 f.). Michael kann zu keiner anderen Frau neben Hanna eine richtige Beziehung aufbauen, außer zu seiner Tochter, Julia. er beschreibt, wie es ihm sein Herz bricht, wenn er Julia zurücklassen musste ("wenn ich ging und sie aus dem Fenster sah und ich unter ihrem traurigen Blick ins Auto stieg, brach es mir das Herz" S.165 Z.20 f.). Dies zeigt eine wichtige Rolle seiner Tochter in seinem Leben, zu der er außer zu Hanna eine Beziehung aufbauen kann. So kann man als Fazit sagen, dass alle Beziehungen, die nach der zeit mit Hanna waren, wegen Hanna in die Brüche gingen, nur die zu seiner Tochter hielt. Das zeigt, dass er neben Hanna nur zu seiner Tochter solche Gefühe aufbauen konnte, was bedeutet, dass sie sehr wichtig in seinem Leben war.

Man kann nicht nur das Verhalten Michaels interpretieren, sondern auch das Umfeld. So ist da eine Dreizimmerwohnung für einen 3-Personen-Haushalt, was nicht unbedingt großzügig berechnet ist. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass Michael sich in die Enge gedrängt fühlte. Doch dann gibt es noch das Auto, das eher der Gegensatz zur wohnung ist. Man kann das Auto als Freiheit sehen, die er in der Ehe nciht hatte, aber auch als Symbol des Auseinanderleben der Familie ("...ich unter ihrem traurigen Blick ins Auto stieg" S.165 Z.21 f.). So entfernt er sich immer mehr von der Familie, wenn er wieder in sein Auto steigt. So kann man abschließend sagen, dass sein Umfeld die Beziehung zu seiner Tochter fordert und die kaputte Familie symbolisiert.

Die Textstelle ist in einem Zeitraffer erzählt, da die erzählte Zeit eigentlich viel größer ist als die Erzählzeit. So scheint die erzählte Zeit viel unwichtiges und uninteressantes zu beinhalten. Außerdem wird die Textstelle in einem auktorialen Erzähler erzählt,nur an einer Stelle kommt de personale Erzähler vor (S.165 Z.3,4,22). Doch durch die Erzählperspektive wird die Beziehung zwischen Michael und seiner Tochter herausgehoben, diese wird wie oben genannt neutral, allwissend und sachlich durch die auktoriale Erzählweise geschildert.

Ich finde das Buch zwar gut geschrieben, doch schwer zu verstehen, da der Autor dauernd zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit wechselt. Daraus entsteht das Problem, dass man es aufs erste Lesen hin nicht komplett verstehen könnte, was nicht gerade von Vorteil ist. So vertrete ich die Meinung, dass es nicht unbedingt eine Pflichtlektüre sein muss, es aber jedem freisteht, sich mit einem so kompliziertem Buch vertraut zu machen.

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